Text: Raphael Kollenberg | Sparring: Pat Preilowski | Korrektorat: Leon Cassian Hammer | Stimme: Friederike Niermann |
- Der OPTIMAL-Theorie (Wulf und Lewthwaite , 2016) zufolge sind zwei motivationale Faktoren sowie ein aufmerksamkeitsbezogener Faktor wesentlich für optimales motorisches Lernen und motorische Leistung
- Die motivationalen Faktoren umfassen eine erhöhte Erwartung an die eigene Bewegungsleistung sowie die Autonomie der Lernenden, der Aufmerksamkeitsfokus sollte extern und damit auf dem intendierten Effekt in der Umwelt liegen
- Goal-Action-Coupling bezeichnet den Mechanismus durch den die drei Faktoren aufgrund der Verstärkung des Fokus auf das Bewegungsziel sowie der Reduktion des selbstbezogenen Fokus wirksam werden
A. Motorisches Lernen
Wie in den letzten Beiträgen erläutert, stell die Förderung von motorischen Lernprozessen eine Kernaufgabe von Trainerinnen dar. Es beschreibt die relativ überdauernde, auf Übung oder Erfahrung beruhende Änderung in der Fähigkeit, eine motorische Fertigkeit zu produzieren.

Im Jahr 2016 stellten Gabriele Wulf und Rebecca Lewthwaite eine Theorie zum motorischen Lernen auf, welche die Bedingungen und Faktoren herausstellt, die für den Lernprozess wesentlich sowie förderlich sind. Im Zentrum dieser sogenannten OPTIMAL-Theorie (“Optimizing Performance Through Intrinsic Motivation and Attention for Learning”) stehen zwei motivationale und ein aufmerksamkeitsbezogener Faktor.
Diese drei Faktoren bieten Ansatzpunkte für Trainerinnen, um die motorischen Lernprozesse einer Sportlerin zu fördern.
B. Motivationale Faktoren
Motiviert ist eine Sportlerin im Kontext des Bewegungslernens dann, wenn Bewegungsziele und die damit verbundenen Bewegungsergebnisse eine hohe Relevanz für die Sportlerin haben und diese für ihr (positives) Bewegungsergebnis selbst verantwortlich ist.
Nach der OPTIMAL-Theorie findet sich ein motivationaler Faktor in den erhöhten Erwartungen an die eigene Bewegungskompetenz. Erhöhte Erwartungen an die eigene zukünftige Leistung beeinflussen das Lernen positiv, da diese Erwartungen in Kombination mit positiven Bewegungserfahrungen innerhalb des Lernprozesses zu einer Dopamin-Freisetzung führen könne. Diese verbessert wiederum sowohl die akute Leistung als auch die Verinnerlichung des Gelernten und bietet somit das perfekte „chemische Milieu“ für motorisches Lernen. Um eine optimale Dopamin-Ausschüttung zu gewährleisten, ist eine Kombination aus herausfordernden Bewegungsbedingungen nötig, welche ein motivierendes Wechselspiel aus Erfolg und Misserfolg bietet.
Die Schwierigkeit einer Bewegungsaufgabe beeinflusst dabei den erzielten Anteil von Erfolg und Misserfolg maßgeblich und wird von der Trainerin mitbeeinflusst. Dabei können Trainerinnen als motivationale Verstärker fungieren, indem sie durch positive Rückmeldungen und die entsprechende Schwierigkeit der Bewegungsaufgaben, einen Beitrag zu den erhöhten Erwartungen der Sportlerin leisten. Neben dem direkten Einfluss erhöhter Erwartungen auf den Lernprozess verstärken diese auch die Selbstwirksamkeit, welche den zweiten motivationalen Faktor der OPTIMAL-Theorie darstellt.
Selbstwirksamkeit (“Autonomie“) kann als Grundbedürfnis des Menschen angesehen werden und beschreibt die Fähigkeit, unabhängig sowie selbstbestimmt zu handeln. Autonomie bildet durch eine Erhöhung der intrinsischen Motivation und des Eigeninteresses an der Bewegungsaufgabe eine Bedingung für das motorische Lernen und reduziert gleichzeitig den durch Misserfolge auftretenden Stress. Autonomie-unterstützende Bedingungen bieten außerdem auch eine Möglichkeit zur Erhöhung der Erwartungen an die eigene Leistung, wodurch sich beide motivationale Faktoren verstärken.
Auch die Selbstwirksamkeit einer Sportlerin kann durch die Trainerin bedeutend unterstützt werden, beispielsweise in dem man der Sportlerin Auswahlmöglichkeiten überlässt. Derartige Auswahlmöglichkeiten können im direkten Zusammenhang mit dem Training oder der Therapie stehen, können aber auch gänzlich unabhängig der eigentlichen Bewegungsinhalte sein.
Bei einer trainingsbezogenen Auswahlmöglichkeit erlaubt die Trainerin ihrer Sportlerin etwa die Auswahl darüber, ob das zu trainierende Bewegungsmuster Kniebeuge in Form einer Langhantel- oder Kettlebellkniebeuge ausgeführt wird. Hierdurch wird die Sportlerin aktiv in den Trainingsprozess eingebunden, was zu einer Steigerung der Autonomie führt. Allerdings kann die Selbstwirksamkeit auch durch trainingsunabhängige Auswahlmöglichkeiten angesprochen werden. Bereits die Entscheidungsfreiheit über die Farbe der Kettlebell, mit welcher die Kniebeuge trainiert werden soll oder der Ort, an dem eine Übung innerhalb der Trainingsstätte durchgeführt wird, fördert die Autonomie einer Sportlerin und verstärkt somit das motorische Lernen.
C. Aufmerksamkeitsbezogener Faktor
Als dritter Faktor der OPTIMAL-Theorie wird der externe Aufmerksamkeitsfokus angeführt. Während ein interner Aufmerksamkeitsfokus sich darauf richtet, wie Körperteile innerhalb einer Bewegung koordiniert werden, richtet sich ein externer Fokus auf den intendierenden Effekt innerhalb der Umwelt.
Im Kontext der Leistungserbringung und des Bewegungslernens ist ein externer dem internen Aufmerksamkeitsfokus vorzuziehen, da dieser bessere Effekte hinsichtlich Präzision, Balance, Kraftproduktion und der subjektiven Anstrengung aufweist. Innerhalb der OPTIMAL-Theorie besitzt der externe Aufmerksamkeitsfokus eine Doppelrolle, da dieser sowohl zur akuten Leistungs- und Lernförderung beiträgt, gleichzeitig aber auch den internen Aufmerksamkeitsfokus reduziert. Ein solcher interner Fokus kann den Lernprozess negativ beeinflussen, indem dieser beispielsweise nach Verletzungen die Bewegungsvariabilität reduziert und zu einer Schmerzintensivierung führen kann. Der von der OPTIMAL-Theorie beschriebene externe Aufmerksamkeitsfokus wirkt außerdem ergänzend auf die Motivation der Sportlerin, da durch die damit verbundene Leistungsverbesserung auch die Erwartung an die eigene zukünftige Leistung erhöht wird. Trainerinnen können einen externen Aufmerksamkeitsfokus vorwiegend durch die richtigen Instruktionen erzeugen.
A) Instruktion mit externem Aufmerksamkeitsfokus: „Drück dich so stark es geht vom Boden weg“
B) Instruktion mit internem Aufmerksamkeitsfokus: “Strecke deine Knie und Hüfte so explosiv wie möglich“
Die drei zentralen Faktoren der OPTIMAL-Theorie - erhöhte Erwartungen, Autonomie und externer Aufmerksamkeitsfokus - wirken durch eine Kopplung des Bewegungsziels und der dafür erforderlichen Bewegungshandlung auf die motorische Leistung und das motorische Lernen („Goal-Action Coupling“). Alle drei Faktoren begünstigen einen Fokus auf das Bewegungsziel, während ein leistungslimitierender Selbstfokus vermieden wird. Die Kopplung der drei Faktoren kann zudem neuroplastische Prozesse fördern, welche langfristig die Entstehung von effizienten sowie flüssigen Bewegungen unterstützen können und typischerweise auf hohen Leistungsniveaus zu beobachten sind.

D. Implikationen für die Praxis
In der traditionellen Praxis lässt sich der motorische Lernprozess oftmals konträr zur hier vorgestellten OPTIMAL-Theorie beobachten. Trainerinnen geben Feedback oft in Form von Korrekturen und Verbesserungen mit internem Aufmerksamkeitsfokus, was für die Sportlerin zu geringer Autonomie und vermindertem Selbstvertrauen führen kann. Unter solchen Bedingungen sind negative Konsequenzen für die Motivation, Leistung und letztlich auch das Bewegungslernen zu erwarten. Aus der OPTIMAL-Theorie geht hervor, dass Trainerinnen Instruktionen mit externem Aufmerksamkeitsfokus und positiven Rückmeldungen im Kontext von Autonomie-fördernden Bewegungsaufgaben bevorzugen sollten. Eine durch diese Bedingungen erreichte Leistungssteigerung führt bei Sportlerinnen zu erhöhten Erwartungen an die eigene zukünftige Leistung, wodurch sich ein selbstverstärkender Kreislauf bildet, welcher die Motivation langfristig steigern und Lernfortschritte begünstigen kann.
Trainerinnen können Leistungserwartungen von Sportlerinnen beispielsweise durch positive Rückmeldungen nach gelungenen Bewegungen oder durch Hervorheben von Lernfortschritten erhöhen. Auch kann die Schwierigkeit von Übungen so angepasst werden, dass es nach gelegentlichen Misserfolgen zu einem Bewegungserfolg kommt. Um die Autonomie der Lernenden zu fördern, sollten Wahlmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die nicht notwendigerweise für die zu lernende Aufgabe relevant sein müssen (z.B. Entscheidung über die Ballfarbe). Weiterhin sei Trainerinnen angeraten, Bewegungsanweisungen so zu formulieren, dass ein externer Aufmerksamkeitsfokus hervorgerufen wird. Auch wenn dies ein gewisses Maß an Kreativität verlangen mag, können damit einhergehende (sofortige) Leistungsverbesserungen die Motivation weiter erhöhen und einen verstärkenden Kreislauf zur Folge haben.
Literatur
- Schmidt & Lee (2005) “Motor Control and Learning: A Behavioral Emphasis”
- Wulf & Lewthwaite (2016) “Optimizing performance through intrinsic motivation and attention for learning: The OPTIMAL theory of motor learning”
- Wulf (2018) “Die OPTIMAL-Theorie motorischen Lernens: Implikationen für die physiotherapeutische Praxis”
- Chua, Jimenez-Diaz, Lewthwaite, Kim & Wulf (2021). “Superiority of external attentional focus for motor performance and learning: Systematic reviews and meta-analyses”