Text: Judith Begiebing | Sparring: Leon Cassian Hammer | Korrektorat: Selina Eckhardt | Stimme: Friederike Niermann |

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Im Sprint

- Krafttraining im Kindes- und Jugendalter stellt eine sichere und effektive Methode zur Verbesserung von Maximal- und Schnellkraft sowie gesundheitlicher Aspekte dar

- Für zahlreiche Mythen rund um das Krafttraining im Kindesalter, wie unter anderem ein erhöhtes Verletzungsrisiko der Epiphysenfugen, besteht keine Evidenz

- Das Krafttraining sollte an die Entwicklungsphase der Nachwuchssportlerinnen angepasst werden, während das Einhalten gewisser Richtlinien die Sicherheit im Training gewährleistet

A. Nutzen eines Krafttrainings im Kindes- und Jugendalter

Noch immer bestehen bei vielen Eltern wie auch Trainerinnen Bedenken bezüglich der Sicherheit und Notwendigkeit von Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen - zu Unrecht, wie mittlerweile zahlreiche Studien belegen, welche die Effektivität und Vorteile eines Krafttrainings bestätigen (Chaabene et al., 2020; Caine et al., 2006; Faigenbaum et al., 2009; Stricker at la., 2020).

Neben vermehrter Maximal- und Schnellkraft führt Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen zu Verbesserungen der kardiovaskulären Fitness, hat positive Auswirkungen auf Blutfettwerte und Insulinsensitivität, erhöht Knochendichte und fettfreie Masse, und verringert das Verletzungsrisiko (Chaabene et al., 2020; Stricker et al., 2020). Darüber hinaus kann ein Krafttraining Stimmung und Selbstwertgefühl verbessern und die Einstellung hinsichtlich körperlicher Fitness und lebenslangem Training positiv beeinflussen (Faigenbaum et al., 2009).

Krafttraining spielt somit eine wichtige Rolle in der physischen und emotionalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

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Nachwuchs 2: Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen
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B. Mythen rund um das Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen unter der Lupe

B.1 „Kinder können ihre Kraft bis zur Pubertät nicht verbessern.“

Bei Kindern beiden Geschlechts und unabhängig von ihrem Alter kommt es zu einem Kraftzuwachs in Folge von Krafttraining. Neben der Maximalkraft werden auch Schnellkraft und Kraftausdauer verbessert. Die Kraftgewinne sind dabei auf eine Verbesserung der intramuskulären Koordination zurückzuführen (Faigenbaum et al., 2009; Stricker et al., 2020).

B.2 "Kinder werden bereits im jungen Alter muskulös.“

Bereits Kinder in der Präpubeszenz können ihre Kraft durch ein entsprechendes Training verbessern. Diese Entwicklung geht aber nicht mit einer Hypertrophie einher, sondern beruht auf neuronalen Mechanismen, wie einer verbesserten neuromuskulären Ansteuerung. Erst in der Pubertät kommt es durch die hormonellen Veränderungen - insbesondere bei Jungen aufgrund des erhöhten Testosterons - auch zu einer Muskelhypertrophie (Faigenbaum et al., 2009).

B.3 "Kinder sind sowieso stärker als je zuvor.“

Longitudinale Studien zeigen eine Abnahme der muskulären Fitness von Kindern und Jugendlichen. Der Begriff Dynapenie (Verlust an Muskelkraft ohne neurologische oder muskuläre Erkrankung) wird deswegen mittlerweile auch in einem pädiatrischen  - und nicht mehr ausschließlich im geriatrischen - Kontext verwendet (Chaabene et al., 2020).

B.4 „Es besteht ein hohes Verletzungsrisiko.“

Die Verletzungsraten eines unter Aufsicht und mit korrekter Technik ausgeführten Krafttrainings sind geringer als die anderer Sportarten (Faigenbaum et al., 2009).

Darüber hinaus führt ein gut konzipiertes Krafttraining zu positiven Adaptionen nicht nur in Muskeln, sondern auch in Sehnen, Bändern und Knochen. Die daraus folgende erhöhte Belastbarkeit geht mit einem reduzierten Verletzungsrisiko einher. Krafttraining leistet damit einen wichtigen Beitrag in der Verletzungsprävention (Chaabene et al., 2020).

B.5 „Krafttraining führt bei Kindern zu Verletzungen der Epiphysenfugen.“

Die meisten Epiphysenverletzungen entstehen bei Kontaktsportarten und Sportarten mit hohem repetitiven Impact, wie beispielsweise Football oder Turnen (Caine et al., 2006). Verletzungen der Epiphysen beim Krafttraining sind hingegen Folge eines Fehlgebrauchs von Equipment, mangelhafter Instruktionen und schlechter Technik, oder einer zu schnellen Progression des Gewichts (Faigenbaum et al., 2009). Bei einem adäquat ausgeführten Krafttraining besteht kein erhöhtes Risiko für Verletzungen der Wachstumsfuge. Krafttraining beeinträchtigt das Längenwachstum somit nicht.

Tatsächlich profitiert das noch unreife kindliche Skelett sogar von einem Krafttraining: durch eine Erhöhung der Knochenmineraldichte ist Krafttraining ein effektives präventives Mittel gegen Osteoporose im späteren Erwachsenenalter.

B.6 „Krafttraining ist nur für Bodybuilder.“

Insbesondere Schnellkraft und Explosivkraft sind Grundlage nahezu aller sportlichen Fertigkeiten, wie Springen, Werfen und Sprinten und damit essentiell für eine erfolgreiche Leistung.

Studien konnten Verbesserungen verschiedener Leistungsindikatoren, wie vertikale Sprunghöhe, Agilität, Wurf- und Sprintleistung in Folge eines Krafttrainings aufzeigen (Behringer et al., 2011; Chaabene et al., 2020). Obwohl positive Auswirkungen dieser Verbesserungen auf die sportliche Leistung anzunehmen sind, wurde dies allerdings bislang kaum durch objektive Messungen bestätigt (Harries et al., 2012). Dennoch ist ein Krafttraining aufgrund seiner Effekte auf Schnellkraft und verschiedene Bewegungsfertigkeiten ein wichtiger Trainingsbestandteil in vielen Sportarten wie Football, Leichtathletik, Baseball, Rudern und vielen weiteren.

B.7 „Maximalkrafttests sind gefährlich."

Das Testen des 1-Wiederholungs-Maximums kann angewendet werden, um die Maximalkraft zu testen, eine angemessene Trainingsintensität festzulegen und die Effektivität des Trainings zu evaluieren. Auch bei Kindern und Jugendlichen kann das Testen des 1-Wiederholungs-Maximums valide und reliabel Kraft und Power messen. Studien indizieren, dass Maximalkrafttestungen in diesem Alter sicher sind, wenn Testprotokolle von qualifizierten Trainern befolgt werden und Kinder die entsprechende Technik beherrschen (Stricker et al., 2020; Faigenbaum et al., 2003). Alternativ können aber auch Messungen welche mit dem 1-Wiederholungs-Maximum korrelieren, wie beispielsweise Handgriffkraft, Sprungweite und Sprunghöhe zur Evaluierung der muskulären Fitness genutzt werden (Milliken et al., 2008).

C. Empfehlungen zum Krafttraining im Kindes- und Jugendalter

C.1 Allgemeine Richtlinien

Die folgenden Empfehlungen basieren auf Faigenbaum et al. (2009) und Stricker at al. (2020).

  • Mit einem Krafttraining kann begonnen werden, sobald ein Kind Anweisungen befolgen kann.
  • Das Training sollte immer unter Aufsicht stattfinden.
  • Die Technik der Übungen muss einwandfrei beherrscht werden, bevor externe Gewichte progressiv hinzugefügt werden.
  • Der Fokus sollte auf mehrgelenkigen Übungen liegen, welche sämtliche großen Muskelgruppen trainieren.
  • Das Training sollte immer Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur enthalten.
  • Das Aufwärmen erfolgt durch übungsspezifische Sätze mit geringem Gewicht.
  • Sobald sich die Kraft verbessert hat und die Übung korrekt und beschwerdefrei ausgeführt werden kann, kann das Gewicht um 5 bis 10% gesteigert werden.
  • Das Krafttraining sollte zwei- bis dreimal pro Woche an nicht aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden.
  • Durch Variation wird eine Überlastung einzelner Strukturen vermieden und den Kindern bleibt der Spaß am Training erhalten.

C.2 Empfehlungen basierend auf der Entwicklungsphase

Die folgenden Empfehlungen nutzen die im letzten Beitrag vorgestellte kindliche Entwicklung als Anhaltspunkt, müssen aber stets an die individuellen physischen und psychischen Gegebenheiten des Kindes oder Jugendlichen angepasst werden (vgl. Bompa, 2015; Ferrauti, 2020).

C.2.1 Initiierungsphase

In dieser Phase liegt der Fokus auf der Ausbildung der motorischen Fähigkeiten und der Entwicklung vielfältiger Fertigkeiten. Schlüssel zum Erfolg ist dabei eine möglichst große Variabilität an Bewegungsaufgaben, was durch die Teilnahme in unterschiedlichen Sportarten erreicht werden kann. Auf diese Weise werden Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination und Kraft bereits geschult und ausgebaut.

Das Krafttraining sollte in dieser Zeit nur etwa 20 bis 30% der Trainingszeit einnehmen. Der Spaß steht dabei im Vordergrund, ein streng reglementiertes Training ist zu vermeiden. Zweck des Krafttrainings ist es, die Belastbarkeit von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken zu steigern und den Bewegungsapparat damit auf die Beanspruchungen späterer Hochleistungen vorzubereiten.

Um grundlegende Kraft zu entwickeln, bietet sich in dieser Phase ein Zirkeltraining mit sechs bis neun Stationen an, welches je nach biologischer Reife ein- bis dreimal in 15 bis 30 Minuten durchlaufen wird. Bereits hier sollte auf eine saubere Ausführung der Übung geachtet werden. Übungsbeispiele sind Einbeinsprünge, Würfe mit leichten Medizinbällen, Bear crawls, Frog jumps etc.

C.2.2 Sportliche Herausbildung

Auch in dieser Phase verfolgt das Krafttraining das Ziel das muskuloskelettale System der Sportlerin auf zukünftige hohe Trainingsbelastungen vorzubereiten und so Verletzungen durch eine langfristige Progression vorzubeugen. Die Intensität des Krafttrainings kann jetzt gesteigert werden, auch Kurz- und Langhanteln sollten in das Training integriert werden. Es ist allerdings essentiell, dass die korrekte Ausführung der Übung erlernt wird, bevor Gewichte hinzugefügt werden.

Ein Zirkeltraining kann auch in dieser Phase genutzt werden, wobei die Anzahl der Übungen, sowie die Dauer des Trainings progressiv gesteigert wird. Neben Übungen wie Push-ups, Burpees, (assistierte) Pull-ups und Hanging Hip Flexions, sollte nun auch eine Einführung in das Freihanteltraining erfolgen und komplexere mehrgelenkige Übungen (Squats, Bench Press etc.) erlernt werden.

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Dosis-Wirkungs-Beziehung eines Krafttrainings bei Nachwuchssportlerinnen: Aktueller Evidenz zufolge sind Krafttrainingsprogramme mit freien Gewichten in hoher Intensität (80-89% des 1RM) und einer Trainingsfrequenz von zwei bis dreimal wöchentlich über mindestens 23 Wochen am effektivsten für maximalen Kraftzuwachs (Lesinski et al., 2016). Die größten Effekte zeigen sich bei 5 Sätzen mit jeweils sechs bis acht Wiederholungen pro Übung und drei bis vier Minuten Pause zwischen den Sätzen. Dennoch müssen diese evidenzbasierten Empfehlungen an die individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ziele des Kindes oder Jugendlichen, sowie an die biologische Reife angepasst werden. Insbesondere darf kein schweres Krafttraining ausgeführt werden, bevor die entsprechende Technik nicht beherrscht wird.

C.2.3 Spezialisierung

Das Krafttraining sollte sich nun vermehrt an den sportartspezifischen Anforderungen des jeweiligen Sports orientieren, sowie die Intensität weiter gesteigert werden. Von der Ausbildung der allgemeinen Kraft in den vorherigen Phasen, verschiebt sich das Ziel des Krafttrainings je nach Sportart nun auf die Verbesserung der Maximalkraft und Schnellkraft oder Kraftausdauer.

Eine Progression des Krafttrainings kann durch eine Verringerung der Satzpause, eine Erhöhung der Satzzahl oder eine Erhöhung des Trainingsgewichts gewährleistet werden.

Schnellkraft Training
Die meisten Sportarten erfordern ein hohes Maß an Schnellkraft, weshalb die Entwicklung dieser Fähigkeit für den Großteil der Sportlerinnen essentiell ist. Dabei besteht eine enge Wechselbeziehung zwischen Maximalkraft und Schnellkraft, weshalb die Ausbildung einer ausreichenden Kraftgrundlage wichtig für die Schnellkraftentwicklung ist.

Das Schnellkrafttraining sollte möglichst sportartspezifisch sein und den im Sport benötigten Fertigkeiten ähneln. Die Übungen müssen schnell und kraftvoll ausgeführt werden. Sobald die Geschwindigkeit nachlässt, sollte die Übung abgebrochen werden. Um eine Ermüdung zu vermeiden, sollte auf eine ausreichend lange Satzpause geachtet werden.

Trainiert werden kann die Schnellkraft mittels plyometrischer Übungen, wie beispielsweise verschiedener Medizinballwürfe, Standweitsprünge, vertikaler Sprünge, Squat Jumps oder Kastensprünge.

Dass ein plyometrisches Training ein Risiko für Kinder und Jugendliche darstellt, oder dass zuerst ein bestimmtes Maß an Kraft erreicht werden muss (z.B. Squat mit dem eineinhalbfachen des Körpergewichts), wird von aktueller Evidenz nicht bestätigt (Faigenbaum et al., 2009).

Wenn bislang auch wenig untersucht, stellt olympisches Gewichtheben und seine Kerndisziplinen Clean, Jerk und Snatch eine weitere Möglichkeit zum Trainieren der Schnellkraft dar. Vorläufige Evidenz zeigt die Effektivität von Gewichtheben auf die Schnellkraftentwicklung, bei gleichzeitig geringem Verletzungsrisiko (McQuilliam et al., 2020).

D. Krafttraining von Kindesbeinen an lohnt sich

Krafttraining stellt einen wichtigen Aspekt in der Entwicklung von Nachwuchssportlerinnen dar und ist dabei sowohl sicher als auch effektiv. Doch auch sportlich weniger ambitionierte Kinder und Jugendliche profitieren vom gesundheitlichen Nutzen eine Krafttrainings. Um Verletzungen beim Training zu vermeiden, sollte dieses unabhängig vom sportlichen Ziel angemessen geplant werden und stets unter Aufsicht stattfinden.

Aufs Feld

Ein Krafttraining darf und sollte in das Training mit Kindern integriert werden. Ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht nicht, sofern das Training unter Aufsicht stattfindet, die technische Ausführung im Vordergrund steht und das Gewicht langsam in Anpassung an den individuellen Kraftzuwachs gesteigert wird. Eine Anpassung der Trainingsinhalte an die Entwicklungsphase des Kindes und Jugendlichen ist zu empfehlen.

Literatur

  1. Behringer, M., Vom Heede, A., Matthews, M., & Mester, J. (2011). "Effects of strength training on motor performance skills in children and adolescents: a meta-analysis."
  2. Bompa, T. (2015). Conditioning young athletes. Human Kinetics.
  3. Chaabene, H., Lesinski, M., Behm, D. & Granacher, U. (2020). "Performance- and health-related benefits of youth resistance training."
  4. Caine, D., DiFiori, J., & Maffulli, N. (2006). "Physeal injuries in children's and youth sports: reasons for concern?."
  5. Faigenbaum, A. D., Kraemer, W. J., Blimkie, C. J., Jeffreys, I., Micheli, L. J., Nitka, M., & Rowland, T. W. (2009). "Youth resistance training: updated position statement paper from the national strength and conditioning association."
  6. Faigenbaum, A. D., Milliken, L. A., & Westcott, W. L. (2003). "Maximal strength testing in healthy children."
  7. Faigenbaum, A.D., Stracciolini A., MacDonald J.P., . (2022). "Mythology of youth resistance training."
  8. Ferrauti, A. (2020). Trainingswissenschaft für die Sportpraxis. Springer Verlag.
  9. Harries, S. K., Lubans, D. R., & Callister, R. (2012). "Resistance training to improve power and sports performance in adolescent athletes: a systematic review and meta-analysis."
  10. Lesinski, M., Prieske, O., & Granacher, U. (2016). "Effects and dose-response relationships of resistance training on physical performance in youth athletes: a systematic review and meta-analysis."
  11. Milliken, L. A., Faigenbaum, A. D., Loud, R. L., & Westcott, W. L. (2008). "Correlates of upper and lower body muscular strength in children."
  12. McQuilliam, S. J., Clark, D. R., Erskine, R. M., & Brownlee, T. E. (2020). "Free-Weight Resistance Training in Youth Athletes: A Narrative Review."
  13. Stricker, P. R., Faigenbaum, A. D., McCambridge, T. M., & COUNCIL ON SPORTS MEDICINE AND FITNESS (2020). "Resistance Training for Children and Adolescents."

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