Text: Judith Begiebing | Sparring: Pat Preilowski | Korrektorat: Leon Cassian Hammer | Stimme: Friederike Niermann |
- Angst kommt wie alle Emotionen auf den Ebenen des Erlebens, der Physiologie sowie des Verhaltens zum Tragen, wobei sich letzteres im körpersprachlichen Ausdruck widerspiegeln kann und durch veränderte Entscheidungs- und Aufmerksamkeitsprozesse entstehen kann
- Die umgekehrte U-Funktion, das Katastrophenmodell nach Hardy und das Individual Zones of Optimal Functioning-Modell stellen drei Theorien zur Erklärung des Angst-Leistungs-Zusammenhangs dar
- Mögliche Mechanismen des sogenannten Choking under Pressure sind zum einen eine vermehrte Ablenkung durch aufgabenirrelevante Informationen und zum anderen eine erhöhte selbst- und bewegungsbezogene Aufmerksamkeit
A. Angst
Angst ist insbesondere im Leistungssport eine allseits bekannte Emotion. Der Zusammenhang zwischen Angst und Leistung ist aus diesem Grund ein Kernthema in der angewandten Sportpsychologie sowie in der Forschung. Dabei stellt Angst die am genauesten erforschte Emotion im Bereich des Sports dar.
Unter Angst wird ein vorübergehender Zustand verstanden, der meist als unangenehm empfunden wird, als Reaktion auf eine als bedrohlich eingeschätzte Situation entsteht und mit Veränderungen auf physiologischer, Erlebens- und Verhaltensebene einhergeht (Schüler, Wegner & Plessner, 2020). Dabei tritt Angst stets zeitlich vor einem Ereignis auf und ist damit Folge eines antizipierten Fort- oder Ausgangs einer Situation oder Handlung.
A.1 Verwandte Angst-Konstrukte
A.1.1 Aktivierung (Arousal)
Aktivierung (engl. arousal) bezeichnet einen psychophysischen Zustand, der sich entlang eines Spektrums zwischen Schlaf oder Koma und absoluter Erregung befindet. Aktivierung wird durch kognitive Prozesse gesteuert und kann im zentralen, peripheren und autonomen Nervensystem vonstattengehen. Zwar ist der Zustand der Energetisierung mit Emotionen verbunden, eine Gleichsetzung mit bestimmten Emotionen, wie Angst, ist aber nicht möglich. So kann ein erhöhter Aktivierungszustand neben Angst auch in Zusammenhang mit Wut oder Freude auftreten.
A.1.2 Stress
Als Stress wird ein Ungleichgewicht zwischen Anforderungen (physisch und/ oder psychisch) und der Kapazität, diese zu bewältigen, verstanden. Die Stressreaktion bezeichnet die auf äußere oder kognitive Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktion. Auf Grundlage dieser Definition ist die Abgrenzung zur Angst unscharf. Jedoch lässt sich Stress in einen negativen (Distress) und einen positiven (Eustress) Zustand unterteilen. Beide gehen mit Aktivierung einher, aber nur wenn der Stressor als negativ eingeschätzt wird (Distress), kommt es auch zur Generierung von Angst.
A.2 Die drei Ebenen der Angstreaktion
A.2.1 Erleben
Im Angsterleben kann zwischen Emotionalität (engl. emotionality) und Besorgnis (engl. worry) differenziert werden. Ersteres wird auch als somatische Angst bezeichnet, wobei in diesem Kontext die subjektive Wahrnehmung körperlicher Veränderungen und nicht die tatsächlichen physiologischen Reaktionen gemeint ist (z.B. das Spüren des “rasenden Puls”). Die auch kognitive Angst genannte Besorgnis umfasst hingegen alle im Kontext der Angst auftretenden Gedanken wie Sorgen und negative Erwartungen.
A.2.2 Physiologie
Auf physiologischer Ebene kommt es bei Angst zu respiratorisch-kradiovaskulären, elektrophysiologischen und biochemischen Veränderungen. Beispiele stellen unter anderem eine Erhöhung von Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck, Muskeltonus, kortikaler Aktivität sowie eine vermehrte Adrenalin- und Cortisol-Ausschüttung dar (vgl. Schüler, Wegner & Plessner, 2020, S. 284).
A.2.3 Verhalten
Das in Anbetracht von Angst zutage tretende Ausdrucksverhalten wurde bei Sportlerinnen bislang nicht explizit untersucht (Schüler, Wegner, Plessner, 2020). Studien zum nonverbalen Verhalten beim Elfmeterschießen im Fußball und damit einer Situation hohen Drucks konnten aber zeigen, dass ein submissives Verhalten des Schützen von Torhütern mit negativ behafteten Attributen (u.a. weniger durchsetzungsfähig, unsicherer, angespannter) und einer niedrigeren Leistung des Schützen in Verbindung gebracht wurde (Furley et al., 2012; Furley, Dicks & Memmert, 2012). Die Ergebnisse können dahin gehend interpretiert werden, dass ein gesenkter Blick und eine hastig ausgeführte Schussvorbereitung als Vermeidungsverhalten im Zuge der Angst zum Ausdruck kommen und/oder vom Torhüter als Angst interpretiert werden könnten. Ob diese Verhaltensweisen aber tatsächlich mit Angst zusammenhängen oder diese ausdrücken, bleibt unklar.

Veränderungen in Aufmerksamkeits- und Entscheidungsprozessen durch Angst können im Verhalten zum Tragen kommen. Im Bereich der Entscheidungsprozesse liegen bislang vorwiegend Untersuchungen an Schiedsrichtern vor. Die Studienergebnisse von Balmer et al. (2007) legen nahe, dass eine erhöhte Zuschauerlautstärke bei Schiedsrichtern im Fußball mit vermehrter Angst und einer Bevorzugung der Heimmannschaft assoziiert ist. In einer weiteren Untersuchung konnte aufgezeigt werden, dass Basketball-Schiedsrichter mit höheren Angstleveln bei einer lauten und drängenden Zuschauermenge („pressing crowd noise“) schlechter in ihrem Urteil über potentielle Fouls abschnitten, als Schiedsrichter mit geringeren Angstleveln (Sors et al., 2019).
Für die im Zusammenhang mit Angst veränderte Informationsverarbeitung und Aufmerksamkeitsprozesse bietet die Attentional Control Theory: Sports (Eyseneck & Wilson, 2016) einen Erklärungsansatz. Demnach ist in angstverbundenen Situationen ein sogenanntes error monitoring häufig, bei dem die eigene Aufgabenausführung mit einem Soll verglichen wird, was eher zu einer Wahrnehmung von Fehlern führt. Dies kann folglich wiederum die Angst verstärken und eine erhöhte Aufmerksamkeit auf als bedrohlich empfundene Reize nach sich ziehen. Somit scheint in Angstsituationen sowohl die Unterdrückung störender Gedanken, als auch die optimale Ausrichtung der Aufmerksamkeit schwerer zu fallen.
Anhand der Erfassung des sogenannten Quiet Eyes lassen sich Aufmerksamkeitsprozesse objektiv auf der Verhaltensebene bestimmen. Als Quiet Eye wird die letzte Blickfixation vor Beginn der finalen Bewegung bezeichnet. Fixation meint dabei das Verbleiben des Blicks innerhalb eines Sehwinkels von drei Grad um ein Objekt, oder einen Ort über mindestens 100 Millisekunden. Das Quiet Eye ist eine Reflexion von Aufmerksamkeitsprozessen hinsichtlich der Ausrichtung auf die zur Zielerfüllung wesentlichen Reize sowie die Ausblendung irrelevanter Reize. Längere Quiet-Eye Perioden sind mit einer besseren sportlichen Leistung assoziiert (Lebeau, et al., 2016). In Übereinstimmung mit der Attentional Control Theory konnten Wilson, Vine und Wood (2009) eine Verkürzung der Quiet Eye-Periode und eine verschlechterte Leistung bei Freiwürfen von Basketball-Spielern mit höherer Angst feststellen. Unter Angsteinfluss zeigten die Basketballer also vermehrte Blickfixationen kürzerer Dauer auf unterschiedliche Ziele. Daraus kann geschlossen werden, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf aufgabenrelevante und zielorientierte Stimuli, wie in diesem Fall den Basketballkorb gerichtet war, sondern auf aufgabenirrelevante äußere (z.B. Ablenkung aus der Umgebung) oder interne (z.B. Sorgen) Stimuli.
A.3 Wie entsteht Angst?
A.3.1 Auslöser
Wie in der oben genannten Definition von Angst bereits erwähnt, entsteht Angst infolge einer als bedrohlich empfundenen Situation. Diese wahrgenommene Bedrohung kann sich auf die körperliche Unversehrtheit (Angst vor Verletzung) und/ oder eine Minderung des Selbstwerts (z.B. Angst vor Versagen und dessen Folgen) beziehen. Aus sozialpsychologischer Sicht sind außerdem „Druck“ erzeugende Faktoren von Interesse. Unter Druck werden im Sport situative Anreize für optimale Leistung verstanden. Baumeister und Showers (1986) zufolge gehören dazu die Anwesenheit von Zuschauern, Wettkampf, die Kontingenz von Belohnung und Bestrafung sowie die persönliche Bedeutsamkeit der Aufgabe.
A.3.2 Aufmerksamkeit
Der Emotional Stroop Task sowie der Dot Probe Test stellen zwei Reaktions-Zeit-Paradigmen dar, anhand derer eine Aufmerksamkeitsverzerrung hin zu emotionsbezogenen Reizen bei Personen mit Angst festgestellt werden konnte (Williams, Mathews & MacLeod, 1996; MacLeod, Mathews & Tata, 1986). Dieser bedrohungsbezogene „attentional bias“ bei vermehrter Angst und Angststörungen wurde in einer Metaanalyse bestätigt (Bar-Haim et al., 2007). Im Sport wurde diese Aufmerksamkeitsverzerrung auf angstrelevante Stimuli bislang allerdings kaum untersucht. Die Erfassung des unter E.2.3 genauer erläuterten Quiet Eyes im Rahmen der Untersuchung von Aufmerksamkeitsprozessen liefert jedoch einen Hinweis auf die bevorzugte Verarbeitung irrelevanter, möglicherweise emotionsbezogener Reize in Drucksituation.
A.3.3 Bewertung
Wie für alle Emotionen gilt in aktuellen Theorien auch in der Entstehung von Angst der Bewertungsprozess als zentrales Element.
In der kognitiv-motivationalen Theorie der Emotionen (Lazarus, 1991) erfolgt zunächst eine Ereigniseinschätzung (”wie bedeutsam ist die Situation?”) in der primären Beurteilung, gefolgt von einer Ressourceneinschätzung (”welche Möglichkeiten zur Bewältigung stehen zur Verfügung?)” in der sekundären Beurteilung. Wird eine Situation als stressrelevant und der damit einhergehende Anpassungsbedarf als Bedrohung wahrgenommen, entsteht Stress.
Im Bereich des Sports deuten Studienergebnisse auf die Gültigkeit der Kernannahmen des transaktionalen Stressmodells hin. So konnte aufgezeigt werden, dass es große individuelle Unterschiede dabei gibt, welche Situationen als angst- oder stressauslösend erlebt werden (z.B. Gould, Jackson & Finch, 1993; Noblet & Gofford, 2002), woraus geschlossen werden kann, dass erst eine Bewertung und nicht die Situation selbst zur entsprechenden Emotion führt. Ferner scheint auch die Intensität der Angst von Bewertungsprozessen abzuhängen. Hammermeister und Burton (2001) konnten in ihrer Untersuchung an Ausdauersportlerinnen feststellen, dass etwa ein als unzureichend empfundenes Training oder eine vermeintlich starke Gegnerin als Bedrohung wahrgenommen wurden und damit zu vermehrter Angst führten. Ebenso gingen Bedingungen, die mit wenig Kontrolle in Verbindung gebracht wurden (z.B. das Wetter), mit höherer Angst einher. Die Wahrnehmung von Ressourcen, unter anderem emotionaler Unterstützung, schienen die Angst hingegen abzumildern.
B. Der Zusammenhang zwischen Angst und sportlicher Leistung
Die Annahme, dass sich Angst auf die sportliche Leistung auswirkt scheint naheliegend, wobei intuitiv häufig ein negativer Einfluss von Angst auf die Leistung angenommen wird. Allerdings kann Angst im Sinne einer Bereitschaftserhöhung positive Auswirkungen auf die Leistung haben. Der genaue Zusammenhang zwischen Angst und Leistung ist komplex und bis heute nicht vollständig geklärt. Im Laufe der Jahre wurden allerdings zahlreiche Theorien entwickelt, die alle zum Verständnis der Angst-Leistungs-Beziehung beitrugen. Drei Ansätze werden im Folgenden näher erläutert.
B.1 Umgekehrte U-Funktion
Die umgekehrte U-Funktion beruht auf einer Studie von Yerkes und Dodson (1908), in der die Gewohnheitsformierung von Mäusen unter Einfluss verschieden starker elektrischer Schocks untersucht wurde. Sie wird deswegen auch als Yerkes-Dodson-Hypothese bezeichnet.
Die Hypothese vertritt die Annahme, dass Leistung kontinuierlich mit zunehmender körperlicher Aktivierung, welche mit Angst zusammenhängen kann, ansteigt. Ab einem gewissen Ausmaß an Aktivierung kommt es allerdings zu einem Wendepunkt, hinter dem die Leistung wieder abfällt (Abb. 1). Somit wird davon ausgegangen, dass ein mittleres Aktivierungsniveau zu optimaler Leistung führt, während eine zu niedrige und eine zu hohe Aktivierung zu schlechteren Leistungen führen.
Zwar konnte die umgekehrte U-Funktion in einigen Studien bestätigt werden (z.B. Arent & Landers, 2003), allerdings wird sie aufgrund ihrer Einfachheit individuellen Unterschieden zwischen Sportlerinnen nicht gerecht und bezieht sich zudem ausschließlich auf den physiologischen Aspekt der Aktivierung, nicht aber auf das Erleben.

B.2 Katastrophenmodell
Das auf Hardy (1990) zurückgehende Katastrophenmodell bezieht das subjektive Erleben mit ein und berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen physiologischer Aktivierung und kognitiver Angst (Abb. 2). In dieser Theorie wird davon ausgegangen, dass bei niedriger kognitiver Angst eine umgekehrte U-Funktion zwischen Aktivierung und Leistung vorliegt. In der Abbildung wird dies durch den hinteren Graphen zwischen der Leistungs- und Aktivierungsachse ersichtlich.
Bei hoher kognitiver Angst kommt es hingegen zu einem zunächst stärkeren Anstieg der Leistung, welche bei Erreichen einer Aktivierungs-Grenze allerdings drastisch abfällt - die „Katastrophe“. Kognitive Angst wird somit als ein entscheidender Moderator in der Aktivierungs-Leistungs-Beziehung angesehen. Dargestellt wird dies durch den vorderen Graphen in der Abbildung, bei dem der Zusammenhang zwischen Leistung und Aktivierung um die Dimension der kognitiven Angst erweitert wird und somit ein dreidimensionales Modell entsteht. Die Leistungskurve ähnelt zunächst der der umgekehrten U-Funktion, bricht bei einer bestimmten Aktivierung aber massiv ein (rosa Pfeil “Leistungsabfall), anstatt gleichmäßig wieder abzufallen.
Um eine optimale Leistung in Anschluss an eine „Katastrophe“ wiederherzustellen zu können, ist dem Modell zufolge zunächst eine starke Reduktion der Aktivierung nötig, was als Hysterese bezeichnet wird. Die Leistungskurve folgt bei hoher kognitiver Angst je nach ab- oder zunehmender physiologischer Aktivierung also einem unterschiedlichen Weg. Im vorderen Graphen der Abbildung zeigt dies die Einkerbung der Kurve links des Pfeils “Leistungsabfall”. Kam es zu einer Katastrophe ist eine minimale Aktivierungsreduktion zur Rückkehr zur vorherigen Leistung nicht ausreichend - der “Erholungspfad” bei abnehmender Aktivierung entspricht nicht der Leistungskurve bei zunehmender Aktivierung.
Einige bestätigende empirische Hinweise für das Katastrophenmodell liefern beispielsweise Hardy und Parfitt (1991), während Hardy, Parfitt und Pates (1994) zwar einen Abfall der Leistung bei zunehmender Aktivierung unter hoher kognitiver Angst feststellen konnten, allerdings keinen Nachweis für den Hysterese-Effekt liefern konnten.

B.3 Modell der Individual Zones of Optimal Functioning (IZOF) - Angst
Das unter D.2 erläuterte IZOF-Modell findet auch in spezifischem Bezug auf Angst Anwendung. Demnach besteht für jede Sportlerin eine individuelle optimale „In-Zone“ hinsichtlich der Angstintensität. Jokela und Hanin (1999) bestätigten in ihrer Metaanalyse eine bessere Leistung von Sportlerinnen, die sich in ihrer individuellen Angst-In-Zone befanden, gegenüber solchen außerhalb dieser Zone.
C. Choking under Pressure: Prozesse und Mechanismen
Die im vorherigen Abschnitt dargestellten Theorien legen zwar einen Einfluss von Angst auf Leistung nahe, allerdings geht nicht hervor, welche unter Angst auftretende Prozesse zu Leistungseinbußen führen können. Ein Begriff, der den Angst-Leistungs-Zusammenhang anschaulich beschreibt, ist das Choking under Pressure, also das „Versagen unter Druck“. Definiert wird Choking under Pressure als ein akuter und beträchtlicher Einbruch von Leistung und Fertigkeitsausführung, wenn eigene Leistungserwartungen eigentlich erreichbar wären, als Resultat einer erhöhten Angst unter wahrgenommenem Druck (Mesagno & Hill, 2013). Mögliche zugrundeliegende Mechanismen dieses Chokings stellen zum einen Ablenkung und zum anderen erhöhte selbst- und bewegungsbezogene Aufmerksamkeit dar.
C.1 Ablenkung
In sogenannten Distraction Models wird davon ausgegangen, dass es unter zunehmender Angst zu vermehrter Ablenkung durch aufgabenirrelevante Informationen und damit zum Choking kommt (Wine, 1971). Die Verarbeitung dieser irrelevanten Informationen, wie Sorgen, soll dann auf Kosten der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Aufmerksamkeit gehen. In Einklang mit diesen Modellen stehen Untersuchungen zum Quiet Eye, denen zufolge es in Angstsituationen zu vermehrten und verkürzten Blickfixationen kommt (z.B. Wilson, Vine & Wood, 2009). Oudejans et al. (2011) stellten zudem fest, dass Gedanken von Sportlerinnen unter Druck vorwiegend Sorgen und weniger die Bewegungsausführung betrafen.
C.2 Bewegungsbezogene Aufmerksamkeit
Sogenannte Self-Focus Models führen Choking auf eine vermehrte Aufmerksamkeitsausrichtung auf die Bewegungsausführung unter zunehmender Angst zurück. Sie basieren auf der Annahme, dass es im Laufe des motorischen Lernens zu einer Prozedualisierung, also einer Automatisierung von Bewegungen kommt. Eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung soll dann den eigentlich automatisierten Ablauf beeinträchtigen. In einer Studie an Golfern konnte gezeigt werden, dass Choking under Pressure beim Golf-Putten auftrat - einer prozedualisierten (und damit automatisierten) komplexen sensomotorischen Fertigkeit (Beilock & Carr, 2001). Bei einer Alphabet-arithmetischen Aufgabe (z.B. A+2=C) kam es hingegen nicht zum Choking under Pressure. Für Aufgaben wie diese wird das Wissen des deklarativen Gedächtnisses benötigt, sie sind also keine automatisierten Handlungen. Die Studienergebnisse liefern somit unterstützende Hinweise für das Self-Focus Model.
D. Angst - Freund oder Feind?
Sport ohne Emotionen ist unvorstellbar und wahrscheinlich sind es genau diese, die den Reiz des Sports ausmachen und Sportfans auf der ganzen Welt verbinden. Aufseiten der Sportlerinnen sticht aber eine Emotion besonders heraus: Angst.
Angst äußert sich - wie alle Emotionen - auf den Ebenen des Erlebens, der Physiologie und des Verhaltens. In der Forschung dreht sich eine zentrale Frage um den Zusammenhang zwischen Angst von Sportlerinnen und Leistung. Die Angst-Leistungs-Beziehung und ihre zugrundeliegenden Mechanismen sind äußerst komplex und bis heute nicht vollständig verstanden. Verschiedene Theorien geben aber - oftmals wissenschaftlich belegte - Anhaltspunkte und tragen so zum Grundverständnis bei. So wurde beispielsweise die auf Yerkes und Dodson (1908) zurückgehende umgekehrte U-Funktion von Hardy (1990) um die Dimension der kognitiven Angst zum Katastrophenmodell erweitert. Einen weiteren Ansatz liefert das Modell der Individual Zones of Optimal Functioning, demzufolge jede Sportlerin eine optimale Zone der Angstintensität besitzt. Ursachen des Choking under Pressure, also des Versagens unter Druck könnten entweder Ablenkung, oder eine bewegungsbezogene Aufmerksamkeit auf eigentlich automatisierte Abläufe darstellen.
Für Trainerinnen und Sportlerinnen ist es essenziell Emotionen im Allgemeinen und Angst im Speziellen zu identifizieren und gegebenenfalls zu regulieren, um auf diese Weise Leistungseinbußen verhindern und/ oder Leistungsverbesserungen fördern zu können. Einige Techniken werden im letzten Beitrag dieser Serie, “Strategien zur Selbstregulation”, erläutert.
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