audio-thumbnail
Training 7: How To: Mobility + Flexibility
0:00
/13:40

Text: Anna Wargel | Sparring: Leon Cassian Hammer | Korrektorat: Judith Begiebing | Stimme: Friederike Niermann |

✔️
Im Sprint

- Es kann zwischen allgemeiner (globaler) und spezifischer (segmentaler), aktiver und passiver sowie statischer und dynamischer Beweglichkeit differenziert werden

- Die Beweglichkeit wird von exogenen und endogenen Faktoren beeinflusst, wobei die Dehnfähigkeit im Gegensatz zur kaum veränderbaren Gelenkigkeit beeinflussbar ist

- Statisches Dehnen, dynamisches Dehnen und PNF sind Methoden des Beweglichkeitstrainings, welche den Bewegungsumfang verbessern können

A. Beweglichkeit, Flexibilität, Mobilität - alles das gleiche?

“Beweglichkeit ist die Fähigkeit, willkürliche Bewegungen mit großen Schwingungsweiten in den beteiligten Gelenksystemen auszuführen. Limitierend wirken dabei die knöchernen Strukturen der Gelenke (Gelenkigkeit) und die Eigenschaften der Muskeln, Sehnen, Bänder und des Bindegewebes (Dehnfähigkeit).” ~ Remmert, 2020, S. 324

Beweglichkeit, Flexibilität, Dehnbarkeit, Mobility und Range of Motion (ROM) sind Begriffe, die häufig im Kontext von Dehnen verwendet werden. Ob es Unterschiede in der Bedeutung der Begrifflichkeiten gibt, ist meist unklar. Vor allem Beweglichkeit und Flexibilität werden als Synonym verwendet, im Englischen wird beides unter dem Begriff ‘flexibility’ zusammengefasst. Dehnbarkeit kann sowohl ein Synonym von Beweglichkeit sein, als auch die Dehnfähigkeit der Bindegewebsstrukturen (z.B. Muskeln, Sehnen) umfassen. Unter ‘range of motion’ (ROM), oder auch dem Bewegungsumfang, wird das Ausmaß der Bewegung, welches in einem Gelenk auftritt, verstanden. Grundsätzlich gehört die Beweglichkeit zu den motorischen Hauptbeanspruchungsformen (siehe Beitrag: Grundlagen der Trainingswissenschaft) und ist vor allem dann von Interesse, wenn sie einen leistungslimitierenden Faktor darstellt. Eine isolierte Betrachtung der Beweglichkeit kann zu Fehlinterpretationen führen, da eine uneingeschränkte ROM nicht zwangsläufig in einer, biomechanisch betrachtet, effizienten Bewegungsausführung resultieren muss. In diesem Zusammenhang kann das Konzept der ‘mobility’ aufschlussreich sein. ‘Mobility’ unterscheidet sich von Beweglichkeit insofern, als sie Bewegung, also die aktive motorische Kontrolle, beinhaltet und damit die Integration zusätzlicher Aspekte wie Stabilität, Gleichgewichtskoordination und Wahrnehmung beinhaltet (Cook et al., 2010; Enoka, 2015). Auf diese Weise wird 'mobility’ als eine dynamische Qualität verstanden, bei der die Athletin Kontrolle, Koordination und Kraft durch die entsprechende ROM entwickelt. In Summe handelt sich bei der Beweglichkeit demnach um ein Instrument zur Leistungssteigerung.

B. Erscheinungsformen der Beweglichkeit

Remmert (2020) differenziert grundsätzlich “in allgemeine (globale) und spezifische (segmentale), aktive und passive sowie statische und dynamische Beweglichkeit”.

Sowohl die statische als auch die dynamische Beweglichkeit können aktiv oder passiv ausgeführt werden. So äußert sich die Beweglichkeit der Hüfte einer Hürdensprinterin als spezifisch, aktiv durchgeführt und dynamisch. Im Gegensatz dazu ist der Spagat am Boden einer Turnerin spezifisch, passiv und statisch.

C. Einflussfaktoren der Beweglichkeit

Die Beweglichkeit wird von endogenen wie exogenen Faktoren beeinflusst (siehe Abb. 1). Einige Faktoren sind steuerbar, andere nicht. Mittels Trainingsplanung können Faktoren, die sich nachteilig auf die Beweglichkeit auswirken, wie beispielsweise die Tageszeit, umgangen werden.

Abbildung 1: Endogene und exogene Faktoren der Beweglichkeit (Remmert, 2020)

C.1 Endogene Faktoren

Bei den endogenen Faktoren der Beweglichkeit wird grundsätzlich zwischen Dehnfähigkeit, die sich auf Strukturen des Bindegewebes bezieht, und Gelenkigkeit, welche durch den passiven Bewegungsapparat bestimmt wird, unterschieden. Während die Dehnfähigkeit durchaus beeinflussbar ist, zeigt sich die Gelenkigkeit wenig veränderbar. Auch Alter und Geschlecht haben einen Einfluss auf die Beweglichkeit. In der Regel sind jüngere Menschen flexibler als ältere und Frauenbesitzen einen größeren Bewegungsumfang als Männer. Der Unterschied zwischen Frauen und Männern ist unter anderem auf anatomische Gegebenheiten zurückzuführen.

Anatomisch wird die Beweglichkeit von der knöchernen Struktur bestimmt. So weisen die unterschiedlichen Gelenkarten unterschiedliche Freiheitsgrade auf. Die Gelenkigkeit äußert sich individuell unterschiedlich und zeigt sich in einem sogenannten harten Stopp, wenn Knochen auf Knochen trifft und die Bewegung endet. Aber auch Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln spielen eine Rolle in der Beweglichkeit und werden unter dem Begriff Dehnfähigkeit zusammengefasst. Sie bestimmen die physiologische Beweglichkeitsgrenze (Remmert, 2020).

💡
Wie wirkt Dehnen?

Kurzfristige Verbesserungen der ROM durch Dehnen können auf eine moderate Absenkung der Ruhespannung der Muskulatur zurückgeführt werden, die mit dem subjektiven Gefühl einer lockeren und entspannten Muskulatur nach einer Dehneinheit verbunden sein kann. Vor allem neuronale Veränderungen und eine damit einhergehende erhöhte Dehnungs- beziehungsweise Schmerztoleranz sind für diese Verbesserungen der Beweglichkeit, die sich nach 15-60 Minuten wieder zurückbilden, verantwortlich (Klee & Wiemann, 2002). Studien mit einer Dauer von maximal acht Wochen können jedoch kein vollständiges Bild möglicher chronischer morphologischer Veränderungen liefern. Darüber hinaus erschweren die in Studien verwendeten unterschiedlichen Arten von Dehnungen, Dauern, Volumina, Intensitäten und Probandenpopulationen eine einheitliche Interpretation der Ergebnisse.

C.2 Exogene Faktoren

Zu den exogenen Faktoren zählen die Außentemperatur, die Tageszeit sowie äußere Kräfte, beispielsweise Schwerkraft, Masseträgheit oder passives Dehnen durch eine Partnerin. Auf äußere Kräfte wie Schwerkraft und Masseträgheit lässt sich nur schwer Einfluss nehmen, ebenso wie auf die Außentemperatur und die Tageszeit. Die negativen Auswirkungen von Außentemperatur und Tageszeit können jedoch durch eine gezielte Ausrichtung des Trainings auf die entsprechenden Zeiten - individuell auf die Sportlerin abgestimmt - optimiert werden (Remmert, 2020).

D. Formen des Beweglichkeitstrainings

Beweglichkeitstraining kann vor allem durch statisches Dehnen, dynamisches Dehnen oder die propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) realisiert werden.

D.1 Statisches Dehnen

Die statische Dehnung erfolgt langsam, wobei die Endposition konstant gehalten wird. In der Literatur wird zwischen kurzem (< 60 s pro Muskelgruppe) und langem (> 60 s pro Muskelgruppe) statischem Dehnen differenziert. Während kürzere statische Dehnungen nur einen trivialen Einfluss auf die Kraft- und Leistungsaktivitäten haben können, scheinen längere statische Dehnungen zu signifikanten und praktisch relevanten Kraft- und Leistungseinbußen zu führen (Chaabene et al., 2019).

D.2 Dynamisches Dehnen

Dynamisches Dehnen wird rhythmisch und federnd ausgeführt, wirkt durchblutungsfördernd (Venturelli et al., 2017) und wird aus zeitökonomischen Gründen häufig in das Aufwärmen integriert. Es bedarf also einer muskulären Aktivierung, wobei die Endposition nicht gehalten wird. Um den Körper auf die Aktivität vorzubereiten, kann das dynamische Dehnen sowohl sportartspezifische als auch sportartübergreifende Bewegungen umfassen. Der Schwerpunkt liegt also auf den Bewegungsanforderungen, die durch die Sportart oder die Aktivität gestellt werden, und nicht auf einzelnen Muskeln (Mann & Jones, 1999). Im Wesentlichen kann dynamisches Dehnen - manchmal auch als Mobilitätsübungen bezeichnet - als aktive Bewegung eines Gelenks durch die ROM betrachtet werden (Shefferys, 2016). Trotz der uneinheitlichen Beschreibung der Dehnmethoden in der Literatur scheint das dynamische Dehnen eine geeignete Alternative zum statischen Dehnen als Teil des Aufwärmens zu sein, da keine Leistungseinbußen zu erwarten sind (Opplert & Babault, 2018; Remmert, 2020).

D.3 PNF

Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) ist eine Technik, die in der Regel mit einer Partnerin durchgeführt wird und sowohl passive Bewegungen als auch aktive (konzentrische, exzentrische und isometrische) Muskelaktionen umfasst. Ursprünglich wurde diese Methode entwickelt, um Muskeln mit erhöhtem Tonus zu entspannen. Einige Studien konnten zeigen, dass PNF im Vergleich zum statischen Dehnen akut größere Effekte auf die ROM zu haben scheint (Etnyre & Lee, 1988; Ferber et al., 2002; O’Hora et al., 2011). In anderen Studien wurden hingegen ähnliche Effekte zwischen statischem Dehnen und der PNF-Methode festegestellt (Condon & Hutton, 1987; Maddigan et al., 2012). Die PNF-Methode ist jedoch oft nicht praktikabel, da die meisten Dehnungen einen Partnerin und etwas Erfahrung erfordern (Jeffreys, 2021).

E. Frequenz, Dauer und Intensität

Angaben zu geltenden Belastungsnormativen im Beweglichkeitstraining fehlen in der Literatur, daher werden vor allem Intensitätsabstufungen überwiegend nach qualitativen Kriterien umgesetzt. Zur Bestimmung der Reizintensität empfiehlt Marschall (1999) beispielsweise, dass sich die Sportlerin an ihrer absoluten Dehngrenze (= Schmerzgrenze) orientieren kann. Eine maximale Intensität wäre demnach unmittelbar nach Erreichen der Endposition zu beenden, während eine submaximale Intensität über einen längeren Zeitraum gerade noch tolerierbar wäre. Eine weitere gängige Empfehlung ist die statische Dehnung bei einem leichten Unwohlsein für 20-30 Sekunden zu halten (Hohmann et al., 2020). Bösing und Kolleg*innen (2014) empfehlen folgende Belastungsnormative je nach gewähltem Ziel:

Dehnung Ziele Belastungsnormative
statisch Verbesserung der Beweglichkeit intensiv, bis 45 s (i. d. R. 10–20 s), 4 Serien, 3 ×/Woche
Vorbereitung auf Belastungen, die maximale Bewegungsreichweiten erfordern submaximal bis intensiv, 10–20 s, 3 Serien
dynamisch Verbesserung der Beweglichkeit intensiv, 10–20 Wiederholungen, 4 Serien, 3 ×/Woche
Vorbereitung auf Belastungen, die submaximale Bewegungsreichweiten oder hohe Muskelspannung erfordern submaximal, 10 Wiederholungen, 2 Serien

Tabelle 1: Ziele und allgemeine Belastungsnormative des Dehntrainings (Bösing et al. 2014)

F. Beweglichkeit und Leistung

Die flexibelste Athletin ist nicht zwangsläufig die beste Athletin. Daher sollte die Beweglichkeit immer im Kontext der Sportart betrachtet werden und ob eine zu geringe oder zu hohe Beweglichkeit die Leistung beeinflusst. Ist eine Sportlerin sehr beweglich und hat Mühe genügend Stabilität aufzubringen, sollte überwiegend an der Stabilität gearbeitet werden und das Beweglichkeitstraining zunächst in den Hintergrund gerückt werden. Umgekehrt sollte die Sportlerin ein Beweglichkeitstraining durchführen, wenn eine zu geringe ROM die Leistung negativ beeinflusst. Neben der Integration von Dehnungen im Aufwärmen besteht auch die Möglichkeit, direkt nach dem Training zu dehnen. Hierbei kann sich vor allem die noch erhöhte Körpertemperatur positiv auf die elastischen Eigenschaften von Muskeln und Sehnen auswirken. Ebenso kann ein Beweglichkeitstraining als einzelne Session stattfinden, wobei hier definitiv der Kosten-Nutzen-Faktor abgewogen werden sollte. Behm et al. (2021) und Chaabene et al. (2019) empfehlen in ihren Reviews, dass Dehnen aufgrund seiner positiven Wirkung auf die Beweglichkeit und die potenzielle Vorbeugung von Muskel-Sehnen-Verletzungen ein wichtiger Bestandteil des Aufwärmens vor der Aufnahme von Freizeitsportaktivitäten sein sollte. Bei Leistungssportlerinnen ist Dehnen jedoch mit Vorsicht anzuwenden, da sich vor allem statisches Dehnen tendenziell negativ auf die spätere Kraft- und Leistungsfähigkeit auswirken kann. Wenn ein Beweglichkeitstraining indiziert ist, scheint Dehnen eine wirksame Strategie zur Erweiterung des Bewegungsumfangs zu sein, unabhängig von der Art des Dehnens (Thomas et al., 2018).

Nur mit dem kostenlosen Open Campus Zugang verfügbar

Schreib dich jetzt ein, um den Inhalt zu lesen und Zugang zu weiteren Open Campus-Inhalten zu erhalten.

Jetzt einschreiben Du hast bereits einen Account? Einloggen