audio-thumbnail
Training 6: How To: Warm-up
0:00
/11:36

Text: Anna Wargel | Sparring: Leon Cassian Hammer | Korrektorat: Judith Begiebing | Stimme: Friederike Niermann |

✔️
Im Sprint

- Das Aufwärmen zieht verschiedene physiologische Anpassungen nach sich, die in temperaturbedingte und nicht-temperaturbedingte Effekte unterteilt werden können und die Leistung potenziell verbessern und das Verletzungsrisiko verringern könnten

- Die Gestaltung des Warm-ups kann sich am RAMP-Protokoll orientiere, dessen Akronym für Raise, Activate & Mobilise sowie Potentiate steht

- Das RAMP-Protokoll soll sportliche Leistung sowohl kurz- als auch langfristig erhöhen und verfolgt damit das Ziel der Effektivität und Effizienz

Das Warm-up bildet zusammen mit dem Cool-down den Rahmen für das Training und soll die Sportlerin auf das bevorstehende Training oder den Wettkampf physisch wie mental vorbereiten, die Leistung verbessern und potenziell das Verletzungsrisiko verringern. Fradkin und Kolleg*innen (2010) konnten in ihrem systematischen Review zeigen, dass es bei 79% der untersuchten 92 Kombinationen aus Warms-ups und Schlüsselkriterien zu einer Verbesserung der Performance nach einem Warm-up kam. Doch trotz einiger Evidenz für die Effektivität eines Warm-up auf die anschließende Leistung und der allgemeinen Akzeptanz des Aufwärmens vor dem Training, existieren nur wenige wissenschaftlich basierte Praxisleitfäden in der Literatur.

A. Kurzfristige physiologische Anpassungen

Um ein Aufwärmtraining zu planen, das der Athletin den größtmöglichen Nutzen bringt, sind grundlegende Kenntnisse über die physiologischen Prozesse, die während des Aufwärmens ablaufen, erforderlich. Die physiologischen Anpassungen können in temperaturbedingte und nicht-temperaturbedingte Anpassungen unterteilt werden (Bishop, 2003).

🔥
Temperaturbedingte Effekte:
- Erhöhung der Muskeltemperatur
- Erhöhung der Körperkerntemperatur
- Verbesserte Nervenleitfunktion
🌀
Nicht-temperaturbedingte Effekte:
- erhöhter Blutfluss zur Arbeitsmuskulatur
- erhöhter Sauerstoffverbrauch
- erhöhte metabolische Aktivität

Physiologische Wirkungen sind Teil einer Kaskade von Reaktionen, die als Antwort auf eine Aktivität auftreten. Die Art der Tätigkeit beeinflusst das Ausmaß jeder Reaktion. Die unten beschriebenen Effekte können die Leistung in verschiedenen Bereichen positiv beeinflussen.

Physiologische Anpassungen, die potenziell die Leistung verbessern:

  • erhöhte Durchblutung der arbeitenden Muskeln
    → erleichtert die Energieproduktion (Racinais et al., 2017)
  • höhere Temperaturen erleichtern den Sauerstofftransport (Bohr-Effekt)
    → verbesserte Sauerstoffzufuhr zu den arbeitenden Muskeln (McArdle et al., 2015)
  • Verbesserung der wichtigsten Stoffwechselreaktionen
    → z.B. enzymatischen Reaktionen, die in den Muskelmitochondrien ablaufen (McArdle et al., 2015)
  • geringerer viskoser Widerstand in Muskeln und Gelenken
    → flüssigere Bewegung über einen größeren Bewegungsbereich (Enoka, 2015)
  • verbesserte Muskelkontraktions- und Entspannungszeiten (Racinais et al., 2017)
  • verbesserte Geschwindigkeit und Amplitude der Kraftproduktion (Asmussen et al., 1976; Bergh & Ekblom, 1979)

B. Warm-up und Verletzungsrisiko

Das Warm-up wird oft auch als eine Möglichkeit gesehen, das Verletzungsrisiko zu verringern. Der Einfluss des Aufwärmens auf die Verletzungsprävention ist weitgehend unklar, wobei es Hinweise auf mögliche positive Effekte gibt (Fradkin et al., 2006; Sadigursky et al., 2017; Woods et al., 2007). Beispielsweise konnte an Kaninchen gezeigt werden, dass das Aufwärmen einen Schutzmechanismus für die Muskulatur darzustellen scheint, da eine größere Dehnungslänge und Kraft erforderlich sind, um einen Riss im aufgewärmten Muskel zu erzeugen (Safran et al., 1988). Ebenso könnte die Erhöhung der neuronalen Übertragungsgeschwindigkeit die Reaktionszeit verbessern und der Sportlerin ermöglichen, verletzungsanfällige Bewegungen (z.B. Stürze, Drehungen) durch eine erhöhte Kontraktionsgeschwindigkeit zu vermeiden (Woods et al., 2007).

C. Klassische Warm-up Struktur

Häufig wird das Warm-up in einen allgemeinen und speziellen Teil untergliedert. Hierbei dient das allgemeine Aufwärmen unter anderem der Erhöhung der Herzrate, des Blutflusses und der Muskeltemperatur durch leichte aerobe Aktivitäten wie Joggen oder Radfahren. An diese Phase schließt sich in der Regel ein allgemeines Dehnen an, das darauf abzielt, die für die bevorstehende Aktivität erforderlichen Beweglichkeit zu erlangen. In der spezifischen Aufwärmphase werden Übungen durchgeführt, die denen der Sportart der Athletin ähneln (z.B. Steigerungsläufe vor einem Sprinttraining). Die gesamte Aufwärmphase sollte progressiv und von ausreichender Intensität sein, um die Muskel- und Kerntemperatur zu erhöhen, ohne Ermüdungserscheinungen hervorzurufen oder die Energiespeicher zu dezimieren.

Praktische Empfehlungen für die Aufwärmphase umfassen eine Dauer von 10-30 Minuten und eine Intensität von weniger als 2 mmol/l Blutlaktat (überwiegend aerob; Hottenrott & Hoos, 2013; Jeffreys, 2021). Die Inhalte sollten eine zentralnervöse, neuromuskuläre, kardiozirkulatorische, energetische und mentale Vorbereitung adressieren. Zwischen dem Ende des Warm-ups und dem Beginn der eigentlichen Trainingssession sollten maximal 15 Minuten liegen, damit die positiven Effekte des Aufwärmens nicht verloren gehen.

Das Aufwärmen kann überdies ein guter Zeitpunkt sein, um die Athletin auf Bewegungsdefizite zu beobachten. In einer Mannschaft gestaltet sich die Beobachtung jedoch etwas komplexer. Hierbei kann es hilfreich sein, einen Zirkel in das Aufwärmen zu integrieren, wodurch es der Trainerin erleichtert wird, sich auf einzelne Sportlerinnen zu konzentrieren (Larson, 2021).

D. Jeffreys RAMP-Protokoll

Eine weitere Möglichkeit das Aufwärmen zu gestalten, bietet das RAMP-Protokoll von Jeffreys (2007). RAMP ist ein Akronym und steht für:

  • Raise
  • Activate und Mobilise
  • Potentiate

Dieses Protokoll ist flexibel anwendbar und kann individuell an die aktuelle Kapazität der Sportlerin, kurz- und langfristige Ziele, logistische Gegebenheiten und das bevorstehende Workout angepasst werden. Die drei Teile des Aufwärmens bauen sukzessive aufeinander auf und sollen die Sportlerin auf die zu erbringende Leistung vorbereiten. Neben diesem primären Ziel der unmittelbaren Präparation, können weitere mittel- und langfristige Ziele miteinbezogen werden. So scheint durch das Warm-up die Gesamteffektivität des Trainings optimiert werden zu können, ohne dabei die Nettozeit des Trainings zu erhöhen (Jeffreys, 2007; 2021).

D.1 Raise

Zunächst muss der Körper durch Bewegung bei geringer Intensität, Komplexität und Amplitude auf die bevorstehenden sportliche Betätigung vorbereitet werden. Ziel ist es die oben genannten physiologischen Vorgänge zu forcieren. Grundsätzlich kann jede Bewegung, die den Blutfluss, die Temperatur, etc. erhöht, angewendet werden. Allerdings sollte im Rahmen des RAMP-Protokolls eine eingehende Analyse der Aktivitäten stattfinden, die zur Erzielung und Strukturierung der physiologischen Effekte eingesetzt werden. Dabei müssen sowohl die bevorstehende Trainingseinheit als auch die langfristigen Trainingsziele der Sportlerin berücksichtigt werden.

💡
Ist das Ziel der Trainingseinheit die Sprintbeschleunigung, kann der Fokus in der Raise-Phase beispielsweise auf die technischen Aspekte des Laufens in Form von Skippings, Anfersen, etc. gelegt werden.

Kurz- wie langfristig sollte die Raise-Phase progressiv aufgebaut werden. Kurzfristig können Intensität und Amplitude der Bewegungen schrittweise erhöht werden, um größere physiologische Effekte zu erzielen. Längerfristig können die verwendeten Bewegungen und Fertigkeiten der Sportlerin progressiv entwickelt werden (Jeffreys, 2021).

D.2 Activate & Mobilise

In dieser Phase werden Bewegungen ausgeführt, welche für die sportliche Leistung sowohl für die folgenden Trainingseinheit als auch für die Gesamtentwicklung der Sportlerin erforderlich sind, wie zum Beispiel Kniebeugen und Ausfallschritte (Activate). Der zweite Aspekt betrifft die Mobilität, das heißt das aktive Bewegen durch die ROM (range of motion), welche in der folgenden Trainingseinheit relevant ist, und erfordert eine Kombination aus motorischer Kontrolle, Stabilität und Flexibilität. Obwohl Dehnen im Aufwärmprozess grundsätzlich umstritten ist, können bei entsprechender Indikation (z.B. wenn die ROM einen limitierenden Faktor darstellt, oder aufgrund psychologischer Faktoren) Dehnübungen durchgeführt werden (Behm & Chaouachi, 2011; Jeffreys, 2021; Simic et al., 2013). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die in der Aufwärmphase erreichten physiologischen Anpassungen erhalten bleiben. Aus diesem Grund sind dynamische Dehnübungen tendenziell besser geeignet. Die Aktivierungs- und Mobilisierungsphase stellt sicher, dass der gewünschte Bewegungsumfang für die folgende Einheit erreicht wird. Darüber hinaus werden in jeder Einheit die grundlegenden Alltags- und Leistungsbewegungen erarbeitet und trainiert.

D.3 Potentiate

Um Höchstleistungen zu erbringen, sind die RAM-Phasen nicht ausreichend. Hierfür benötigt es noch eine weitere Steigerung und Hinführung zur eigentlichen Trainingssession. Das Hauptziel der Potenzierungsphase besteht darin sicherzustellen, dass die progressiven Übungen die Sportlerin auf eine optimale Leistung vorbereitet, indem die gleiche Intensität wie in der Hauptphase erreicht wird. Diese progressive Übungssequenz kann so gestaltet werden, dass sie über die Vorbereitung einer Trainingseinheit hinaus Vorteile bietet. So lassen sich etwa Leistungselemente, die Kraft und Schnelligkeit betreffen, oft am besten in einem ermüdungsfreien Zustand trainieren, weshalb die Potenzierungsphase eine ideale Gelegenheit bietet, Fertigkeiten wie Schnelligkeit und Beweglichkeit zu trainieren, aber auch technische Leistungsaspekte wie beispielsweise Hebetechniken zu vermitteln.

Im Wesentlichen kann die Potenzierungsphase auch eine eigenständige Trainingseinheit sein, die auf die Entwicklung bestimmter Fertigkeiten oder eines bestimmten Themas abzielt. In diesem Fall konzentriert sich diese Phase auf eine Schlüsselkapazität, die nicht unbedingt mit der bevorstehenden Trainingseinheit zusammenhängt. Hier wird die langfristige Ausrichtung des RAMP-Protokolls deutlich, da wichtige Fähigkeiten im Rahmen des Aufwärmens angesprochen und im Laufe der Zeit effizient und effektiv entwickelt werden können, auch wenn sie nicht im Fokus der aktuellen Trainingseinheit stehen. Dient die Potenzierungsphase der Vorbereitung auf eine Trainingseinheit, umfasst sie Aktivitäten, welche den Körper auf physiologischer Ebene auf die kommende Leistung vorbereiten sowie diejenigen Fähigkeiten verbessern, welche für die bevorstehende Trainingseinheit erforderlich sind. Im Optimalfall entsteht ein fließender Übergang vom Aufwärmen zum Hauptteil. Ebenso kann die ‘Post-activation Potentiation’ in Betracht gezogen werden, welche sich auf eine kurzfristige muskuläre Leistungssteigerung (v.a. bei explosiven Sportarten) im Anschluss an eine Muskelkontraktion hoher Intensität (z.B. Kniebeugen) bezieht. Über die genauen Ursachen dieses Phänomens besteht noch kein wissenschaftlicher Konsens (Garbisu-Hualde & Santos-Concejero, 2021).

💡
Vorbereitung auf eine plyometrische Einheit unterschiedlicher Niveaus:

- Anfängerin: Schwerpunkt liegt auf der technischen Entwicklung mit einfachen Übungen, die sich auf die Lande- und Sprungtechnik konzentrieren → wenig plyometrische Wirkung, da der Schwerpunkt lediglich auf der technischen Vorbereitung für fortgeschrittenere Übungen liegt

- Fortgeschrittene: technische Voraussetzungen vorhanden, weshalb der Schwerpunkt auf dem Aufbau der Kapazität des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) und der Verbesserung der Effizienz und Effektivität beim Bodenkontakt liegt → progressive Abfolge von Sprüngen und Landungen </aside>

Der sequenzielle Charakter des RAMP-Protokolls stellt sicher, dass in jeder Phase eine Optimierung der Leistung in der darauffolgenden Phase erreicht wird und verfolgt dabei das Ziel sowohl der Effektivität, als auch der Effizienz. Der vielleicht größte Nutzen dieses Systems besteht jedoch darin, dass die sportliche Leistung nicht nur kurzfristig verbessert werden kann, sondern auch die langfristige Leistungssteigerung im Mittelpunkt steht. Durch den Wechsel zu einer nachhaltigen Perspektive werden Aktivitäten ausgewählt, die zu einer kurzfristigen Leistungssteigerung führen und gleichzeitig zur langfristigen sportlichen Entwicklung der Athletin zuträglich sind. Entscheidend ist, dass dies ohne eine signifikante Erhöhung der Trainingszeit erreicht wird. Dadurch wird die Effizienz maximiert und eine effektive Nutzung des Trainings gewährleistet (Jeffreys, 2017).

Nur mit dem kostenlosen Open Campus Zugang verfügbar

Schreib dich jetzt ein, um den Inhalt zu lesen und Zugang zu weiteren Open Campus-Inhalten zu erhalten.

Jetzt einschreiben Du hast bereits einen Account? Einloggen